Botschaft von der Gebietsführerschaft 

Nächstenliebe, die reine Christusliebe 

Unsere Welt scheint immer mehr dazu zu neigen, nur auf sich selbst zu schauen, vorschnell zu urteilen und ebenfalls vorschnell jene, die anderer Meinung sind, zu beschimpfen und anzugreifen.

Elder Martin J. Turvey
Elder Martin J. Turvey, Großbritannien Gebietssiebziger, Gebiet Europa Nord

Als Jesaja in Bezug auf das irdische Wirken des Erretters Jesus Christus prophezeite, sagte er: „Er hat mich gesandt, um … die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung, um ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen, einen Tag der Vergeltung für unseren Gott, um alle Trauernden zu trösten.“1 

Nachdem Alma vor König Noas Priestern geflohen war, fuhr er fort, das Evangelium im Verborgenen zu predigen. Diejenigen, die ihm glaubten, gingen mit ihm zu den Wassern Mormon, wo viele den Wunsch äußerten, getauft zu werden. Daraufhin erklärte Alma, was es bedeutet, ein wahrer Jünger Jesu Christi zu sein, nämlich „des anderen Last zu tragen, damit sie leicht sei, … mit den Trauernden zu trauern, ja, und diejenigen zu trösten, die des Trostes bedürfen“2. 

Diese ähnlichen Botschaften zeigen auf, dass das Erdenleben einerseits für jeden von uns Schwierigkeiten und Kummer bereithält und dass wir andererseits die heilige Aufgabe haben, uns in solchen Zeiten umeinander zu kümmern. 

Vor vielen Jahren war unser vierjähriger Sohn fernab von zuhause in einen schweren Unfall verwickelt. Als es ihm so gut ging, dass er in ein örtliches Krankenhaus verlegt werden konnte, fanden wir einen Brief, den eine liebe Schwester aus unserer Gemeinde unter der Tür hindurchgeschoben hatte. Sie schrieb uns darin, wer an welchen Tagen eine Mahlzeit vorbeibringen, wer unsere Kinder zur Schule bringen und dort abholen, wer unsere Wäsche waschen würde und manches mehr. Einige Tage später war auch meine Frau im Krankenhaus und brachte unseren jüngsten Sohn zur Welt. Da sie und mein Sohn in entgegengesetzten Flügeln des Krankenhauses untergebracht waren und vier weitere Kinder versorgt werden mussten, waren wir während der schwierigen sechs Wochen, die folgten, überaus dankbar für jene Schwester, die unsere Bedürfnisse frühzeitig erkannt und uns Hilfe angeboten hatte. 

Aber was, wenn wir gebeten werden, diejenigen liebzuhaben und uns um diejenigen zu kümmern, die wir nicht kennen, die anders sind als wir, die ihr Leben auf eine Weise führen, mit der wir nicht einverstanden sind? Was ist mit denen, die unsere Hilfe nicht zu verdienen scheinen? Präsident M. Russell Ballard hat uns in Bezug auf solche Situationen ermahnt: „Wir müssen Gottes Kinder voller Mitgefühl bei uns aufnehmen und jegliches Vorurteil aus dem Weg räumen, darunter auch Rassismus, Sexismus und Nationalismus.“3 

Women supporting a friend who is going through a hard time

Vor kurzem habe ich in den sozialen Medien einen Beitrag über eine Lokalpolitikerin in einem anderen Teil der Welt gelesen, die frühzeitig an Krebs verstorben ist. Manche brachten in ihren Kommentaren aufrichtiges Bedauern zum Ausdruck; andere, die mit ihrem politischen Kurs offensichtlich nicht einverstanden gewesen waren, hatten weniger einfühlsame Worte übrig. Dann schrieb jemand etwas, was ich sehr tiefgründig fand: „Unser Mitgefühl für andere Menschen rührt nicht daher, dass sie so sind, wie sie sind. Unser Mitgefühl für andere rührt daher, dass wir so sind, wie wir sind. Wenn es dir an Mitgefühl mangelt, sagt das etwas über deinen Charakter aus und nicht über den Charakter eines anderen.“ Das ist ein wirklich weiser Ratschlag. 

Unsere Welt scheint immer mehr dazu zu neigen, nur auf sich selbst zu schauen, vorschnell zu urteilen und ebenfalls vorschnell jene, die anderer Meinung sind, zu beschimpfen und anzugreifen. Im Gegensatz dazu steht die Antwort des Erretters, der gefragt wurde, welches das wichtigste Gebot sei: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Beachten Sie, dass der Herr zwar vom „zweiten Gebot“ spricht, aber auch erklärt, es sei ebenso wichtig wie das erste.4 Elder William R. Bradford von den Siebzigern hat einmal gesagt: „Von allen Einflüssen, die den Menschen dazu bewegen, das Falsche zu wählen, ist die Selbstsucht zweifellos der größte. Wo Selbstsucht herrscht, ist der Geist des Herrn nicht zugegen.“5 

Wollen wir Jesus Christus wahrhaftig nachfolgen und wahre Jünger sein, so ist die wahrscheinlich wichtigste Eigenschaft, die wir entwickeln müssen, dass wir den Blick nach außen richten und für die Bedürftigen sorgen. Wenn wir Mitgefühl oder Nächstenliebe für alle Kinder Gottes entwickeln – unabhängig davon, wer sie sind, woher sie kommen oder woran sie glauben –, werden wir vertrauensvoll vor Gott stehen können.6 

Mögen wir alle danach streben, diese Eigenschaften zu entwickeln, für die Bedürftigen zu sorgen und allen Kindern Gottes stets mit Nachsicht, Demut und Freundlichkeit zu begegnen. 

 

Anmerkungen 

  1. Jesaja 61:1,2 

  1. Mosia 18:8,9 

  1. M. Russell Ballard, „Die Reise geht weiter!“, Herbst-Generalkonferenz 2017 

  1. Matthäus 22:37-39 

  1. Elder William R. Bradford, BYU Speeches, 3. Juni 2003 

  1. Siehe Lehre und Bündnisse 121:45